Literatur Live 2021

So unterschiedlich das Cover der Bücher, so unterschiedlich gestalten sich die diesjährigen Lesungen der vier Autorinnen und Autoren, die im Rahmen von «Literatur Live», dem Veranstaltungsprogramm von «schule&kultur», im November 2021 gelesen haben. Doch eines haben Urs Mannhart, Christoph Simon, Ulrike Ulrich und Stefanie Grob gemeinsam: Sie alle können ihr Publikum in Bann ziehen.

Literatur Live 2021

Urs Mannhart (geb.1975), gelernter Biobauer und Journalist, fesselt sein Publikum gleich zu Beginn, als er lebhaft und betroffen über die Totgeburt eines Kälbchens berichtet, die er bei einem Freund auf dessen Bauernhof miterlebt hat, und nun sei die Mutterkuh depressiv. Die Schülerinnen und Schüler sind fasziniert und wollen es genauer wissen mit der Depression der Kuh. Seit drei Wochen lebt und arbeitet er auf einem Bauernhof im Jura. Seine Naturverbundenheit spürt man beim Lesen seines im September 2021 erschienen Romans «GSCHWIND – oder Das mutmasslich zweckfreie Zirpen der Grillen». Ein global tätiger Rohstoffkonzern möchte das am Thunersee gefundene Rapacitanium, ein Seltene-Erden-Metall, das für die Herstellung von Akkus für Autos, Telefone und Fahrräder essenziell geworden ist, schürfen. Was zählt mehr? Der Erhalt der Natur oder der Fortschritt von Wirtschaft und Technik? Dass Urs Mannhart als Biobauer Mühe hat, sich in das Denken und Handeln multinationaler Konzerne hineinzuversetzen, daraus macht er keinen Hehl.

Wer im Homeoffice steckt, flucht vielleicht seinen Computer an oder wirft einen Kugelschreiber durch die Gegend. Was aber «denkt» dieser Kugelschreiber? Was das Bett, der Salatlöffel, wovon träumt die Stehlampe und welches Glück empfindet eine Zahnbürste? Was «denken» die Dinge daheim? Antworten gibt der Berner Autor Christoph Simon (Jahrgang 1972) in seinem neusten Buch «Die Dinge daheim». Mit ruhiger, fast schon monotoner Stimme trägt Christoph Simon witzige Passagen aus dieser Kurzgeschichtensammlung vor. Es ist still im gutbesetzten Raum, unterbrochen nur durch Schmunzeln und vereinzelt leise Lacher der Schülerinnen und Schüler. Was geschrieben so leicht daherkommt, sei für ihn mit grosser Anstrengung, oft sogar Qualen verbunden, aber immer wieder erlebe er grosse Freude beim Vorlesen seiner Texte, verrät Simon. Der mehrfach preisgekrönte Autor schreibt Romane, Gedichte, Kinderbücher, Kurzgeschichten und ist auch Slam Poetry Künstler.

Ulrike Ulrich, 1968 in Düsseldorf geboren, seit 2002 in der Schweiz wohnhaft, liest nicht nur aus ihrem Buch «Während wir feiern», sondern gibt auch Einblicke in ihr Schreibverhalten als Autorin. So erklärt sie z.B. ihre verschiedenen Schreibstrategien, um einer Schreibblockade vorzubeugen. Ulrich lebt in Zürich und verortet ihre Lieblingsplätze in ihrem Roman denn auch in der Stadt. Man erkennt das Restaurant Piazza am Idaplatz, die Rotachstrasse oder das Cafe Plüsch, wo die Autorin regelmässig beim Schreiben anzutreffen ist. Im Roman beginnt die Protagonistin Alexa am 1. August 2015 mit der Vorbereitung ihrer legendären Dachparty zum hiesigen Nationalfeiertag. Im Verlauf des geschäftigen Tages kommen ihre Freunde und Bekannte mit ihren jeweils sehr unterschiedlichen Lebenssituationen und Problemen zu Alexa. Die Themen greifen mosaikartig ineinander. Themen, die der Autorin wichtig sind, fliessen regelmässig in ihre Werke ein. Ulrike Ulrich bevorzugt ein offenes Ende. Die Leserschaft hat so Zeit, noch weiter über die Geschichte nachzudenken.

Als letzte Autorin ist Stefanie Grob, die «schnellste Bernerin der Welt», zu Gast. Die rasante Spoken-Word-Literatin ist regelmässig auf Bühnen und im Radio zu sehen respektive zu hören, u.a. in der SRF1-Satiresendung «Zytlupe». Die 46-jährige Bernerin lebt mittlerweile in Zürich, hat aber ihren Berner Dialekt nicht verlernt. Ihre erste Einzelpublikation in Buchform «Inslä vom Glück» ist eine Sammlung von Sprechtexten, Gedichten, Radio-Kolumnen und Erzählungen. In rasantem Tempo präsentiert sie ihre Vorstellung von Glück. Im Sprechtext «Französisch ist super» erklärt sie die Leidensgeschichte von Schülerinnen und Schülern über Kantonsgrenzen hinweg. Das junge Publikum kennt die Finessen des angesprochenen Urschwyzer Widerstandsgeists natürlich und quittiert diese schmunzelnd. Dass ihre Texte viel Satire enthalten und die Themen deshalb übertrieben, überspitzt oder oft umgekehrt dargestellt werden, gefällt den Lernenden sichtlich. So kommt es zu zahlreichen Fragen zum Poetry Slam, der Ende der 1990er Jahre in die Schweiz kam und bei dem Stefanie Grob als junge Frau von der ersten Stunde an dabei war.