«Um ein Kind grosszuziehen, braucht es ein ganzes Dorf», lautet ein nigerianisches Sprichwort. Das Kind heisst Timon und das Dorf liegt irgendwo in der Schweiz. Tabea Steiner las sich mit uns durch die verschiedenen Lebensstationen des verhaltensauffälligen Jungen – dem «Balg» (2019): Geburt, Kindergarten, Schule, fremder Bauernhof. Immer wieder suchte die Jungautorin und Literaturvermittlerin das Gespräch mit dem jungen Publikum und schaffte mit ihrer unaufgeregten und offenen Art Empathie für Timon – das, was der Dorfgemeinschaft nie wirklich gelingt. Alles in allem eine ehrliche Lesung mit einem inspirierenden Austausch über Themen wie (Miss-)Verständnis, Beziehungen und Umgang mit Verantwortung und Andersartigkeit.
Bei der Lesung der Journalistin und Autorin Simone Meier wurde kurzerhand das Publikum zum begehrten Fotosujet: Ist sie sonst eine grauhaarige Zuhörerschaft gewohnt, freute sie sich über die junge Alternative. Aber nicht nur sie wurde beschenkt, auch das Publikum nahm hilfreiche Profitipps fürs Verfassen eigener Texte mit: Als Watson-Journalistin weiss sie, dass man Leserinnen und Leser am besten durch einen direkten, atmosphärischen Einstieg abholt. Das A und O für ein interessantes Interview ist eine minutiöse Vorbereitung, für ein halbstündiges Interview mit Hugh Grant recherchierte sie einen halben Tag. Nebst Meiers journalistischem Schaffen durften die Lernenden auch einen Einblick in den Roman «Der Kuss» gewinnen, welcher übrigens im Frühling 2021 mit «Reiz» eine Art Fortsetzung erfährt. So wird die beliebte Figur Valerie wieder zum Leben erweckt.
Der junge Journalist, Autor und Velokurier Flurin Jecker überzeugte durch seinen selbstironischen Blick auf sein bisheriges Leben und Schaffen. Aus seinem Debutroman «Lanz» las er auf lebendige Weise ansprechende Textstellen vor und schaffte es, auf unkonventionelle Art sein Publikum einzubeziehen. Auch von Jecker soll im Sommer 2021 wieder Neues zu lesen sein.
Peter Höner, freischaffender Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, leitete den diesjährigen Schreibworkshop zum Thema «Kurzgeschichten». Literaturtheoretische Inputs wechselten ab mit Schreibübungen, gefolgt von einer schreibintensiven Phase und so entstanden neun einzigartige Geschichten. Eine Lesung und ein offener und wertschätzender Austausch beendeten diesen schreiblustigen Vormittag.
Leider mussten einige Lesungen coronabedingt abgesagt werden. So hätten wir auch Ivna Žic, Nina Kunz und Julia Weber an unserer Schule willkommen heissen wollen. Des Weiteren konnten die beliebten Theaterbesuche mit Nachbearbeitung in Gegenwart von an der Produktion beteiligten Schauspielern oder Technikerinnen nicht über die Bühne gehen. Dennoch diskutierte die involvierte Theaterpädagogin Petra Fischer mit zwei Klassen über die gesellschaftliche Bedeutung der Theaterwelt.
Nun bleibt zu hoffen, dass Corona bald vorüberzieht und uns allen die weite Welt der Wörter in ihrer ganzen Vielseitigkeit wieder offensteht.