Meistens gibt es nicht nur ein Richtig oder ein Falsch und beide Positionen haben eine Berechtigung. Nur wer sich in verschiedene Seiten hineinversetzen kann, wird in unserer komplexen Gegenwart einen friedlichen Kompromiss finden können, der für alle Beteiligten tragbar ist. Die Schweiz ist mit ihrem politischen System der Konkordanz auf kluge, aber auch geduldige Köpfe angewiesen, die bereit sind, Probleme und Streitfragen von allen Seiten zu betrachten und sich immer wieder von Neuem an den Verhandlungstisch zu setzen.
Anders als ursprünglich erhofft, hatte das Projekt «BMZ debattiert» auch 2022 mit dem Corona-Virus zu kämpfen. Angesichts der Unsicherheit, ob das Projekt würde stattfinden können, hatten einige langjährige und in der Vorbereitung von Debatten erfahrene Kolleginnen und Kollegen von einer Teilnahme abgesehen. Zwei Klassen an der Herostrasse liessen sich aber dennoch auf das Wagnis ein und wurden am Schluss mit einem spannenden Klassenbattle belohnt.
Auch wenn es nach wie vor noch nicht möglich war, dass beide Klassen in einem Raum mit «ihren» Debattierenden mitfieberten, konnte man immerhin ohne Maske debattieren, was der Lebendigkeit der Diskussionen zuträglich war. Mit vielen krankheitsbedingten Fehltagen sorgte die Omikron-Welle zwar für leichte Verzögerungen, aber am 18. März konnte das langersehnte Aufeinandertreffen der Debattierenden endlich stattfinden. Gion Grütter und Valérie Danielle Viatte aus der BKV21b traten gegen Michaela Flavia Lechner und Janina Alissa Schmid aus der BKV21c an und massen sich in der Kunst des Debattierens.
Wurden im Vorfeld zum klasseninternen Üben noch Fragestellungen zu den Abstimmungen im Februar wie zum Beispiel dem Massnahmenpaket zugunsten der Medien in der Schweiz oder auch aktuelle Massnahmen wie die Einführung einer Tagesschule diskutiert, drängten sich nach Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine am 24. Februar ganz andere Themen in den Vordergrund.
«Sollen russische Künstler/innen und Sportler/innen, die sich nicht klar von Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine distanzieren, von internationalen Wettbewerben und Auftritten in der Schweiz ausgeschlossen werden?» lautete die Fragestellung, die die vier Debattierenden mit Unterstützung ihrer Klasse vorbereiteten, ohne zu wissen, ob sie am Klassenbattle nun die Pro- oder die Kontraseite vertreten würden. Ist es doch eine zusätzliche Herausforderung von «BMZ debattiert», dass man erst kurz vor Beginn der Debatte die endgültige Position zugelost bekommt.
Während die Pro-Seite, vertreten von Valérie Danielle Viatte und Gion Grütter, vor allem auf das Leid der ukrainischen Bevölkerung und die Problematiken eines Zusammentreffens russischer und ukrainischer Sportler/innen bei internationalen Wettbewerben hinwies, ging die Gegenseite, vertreten von Michaela Flavia Lechner und Janina Alissa Schmid, vor allem auf die schwierige Lage der russischen Bevölkerung ein, die ihre Meinung in einer Diktatur nicht frei äussern kann, durch solche Massnahme stark unter Druck gesetzt wird und sich vielleicht dadurch endgültig vom Westen abwendet.
Der gegenseitige Austausch war von grossem gegenseitigem Respekt gekennzeichnet, beide Seiten hatten Verständnis für die jeweils andere Position, trotzdem wurden nicht stichhaltige Argumente konsequent pariert und abgewiesen. Am Ende konnte jede Seite in einem Abschlussstatement noch einmal ihre Position überzeugend darstellen und vertreten.
Alle vier Teilnehmer debattierten auf hohem Niveau und der Jury, bestehend aus den beiden Deutschlehrpersonen Michaela Schwabe und Seluan Ajina fiel es nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Am Ende konnte Valérie Danielle Viatte durch ihre eloquente und differenzierte Argumentation als Siegerin aus der Debatte hervorgehen und sich neben einer süssen Überraschung für alle vier Teilnehmende auch über einen 50-Franken-Mediengutschein freuen.
Nun hoffen wir an dieser Stelle, dass Corona im nächsten Schuljahr endgültig Geschichte sein wird, und sich wieder viele debattierfreudige Klassen der Herausforderung von «BMZ debattiert» stellen werden.