Literaturwochen 2024: «Que(e)rtext – out of the box»

«Que(e)rtext – out of the box» lautete das Oberthema der diesjährigen Literaturwochen, die von Anja Kükenbrink, Simona Conz, Wanda Inderbitzin und Nicole Peter kuratiert wurden.

Eine faszinierende Entdeckungstour führte das Publikum sowohl auf vertrauten als auch auf unerforschten Pfaden durch die Welt der Literatur, in der mit Sprache, Bildern, Klängen sowie mit Identität und Identitätsentwürfen experimentiert wurde. Neben Lesungen umfasste das Programm in diesem Jahr auch Film- und Theaterworkshops, Performances sowie Vorträge, sodass die Lernenden zahlreiche Höhepunkte erleben konnten.

 

Zora del Buono, Autorin

Anna Rosenwasser, Autorin und Nationalrätin

Evianne Hübscher

«Das Universum der Geschlechter erforschen – Breaking the code – aber wie?» Getreu dem Motto von Nemo, dem diesjährigen Eurovision Songcontest Gewinner aus der Schweiz, führte Evianne Hübscher in ihrem Workshop die verschiedenen Dimensionen von Geschlecht ein. Die Lernenden und die Lehrpersonen durften anhand des «Geschlechter-Radars» selbst herausfinden, was für sie Geschlecht bedeutet. Nebst der Geschlechtervielfalt standen Themen wie die Geschlechtsentwicklung, trans- und non-binäres Geschlecht, Lebensrealitäten von non-binären Menschen und inklusive Kommunikation im Fokus. Im offenen Dialog mit Evianne Hübscher konnten Fragen gestellt werden und es fand ein reger Austausch statt.

Mit seinem Filmworkshop «Filmkonventionen quer gestellt» entführte der Filmphilosoph und Literaturwissenschaftler Lukas Germann das Publikum ins Reich des bewegten Bildes. Filme erzählen nicht nur Geschichten, sondern erzeugen auch Emotionen und Spannung. Um sie zu verstehen, folgen sie bestimmten Regeln, ähnlich der Sprache, die sich im Laufe der Filmgeschichte verändert hat. Manche Filme brechen jedoch bewusst mit diesen Konventionen. In diesem Filmworkshop wurden bekannte Blockbuster wie «Game of Thrones» oder «Lord of the Rings» untersucht, die die klassischen filmischen Regeln infrage stellen. Ziel war es, Filme bewusster zu schauen und die Techniken der Filmemacher besser zu schätzen.

Der Truppe act back gelang es mit ihrem Improtheater «Anders!», mutige Lernende auf die Bühne zu holen. Drei Improvisationsprofis und ein Moderator arbeiteten zusammen mit den Jugendlichen an realistisch wirkenden Szenen, die alltägliche Situationen aus Schule, Familie und Freundschaften widerspiegelten. Die Themen reichten von Mobbing und Diskriminierung bis hin zu Rassismus, sexueller Orientierung und kulturellen Konflikten. Der Workshop bot eine besondere Möglichkeit, diese Themen auf berührende und vielschichtige Weise zu behandeln.

Anna Rosenwasser ist gewählte Nationalrätin für die SP. Die bisexuelle Schweizerin mit jüdischen Wurzeln schreibt in ihrer Textsammlung «Rosa Buch. Queere Texte von Herzen» über Geschlecht und Anziehung in überraschenden Texten. Sie schreibt nicht nur für diejenigen, die längst wissen, dass sie queer sind, sondern auch für alle, denen dieses Wort neu – und, wer weiss, vielleicht mittelsympathisch – ist. Das «Rosa Buch» beleuchtet Identitäten ausserhalb der Norm mit einem zuversichtlichen, liebevollen Blick, ist durchaus auch mal «hässig» über Ungerechtigkeit, begegnet aber allem mit Neugier und Humor. Und immer wieder setzt sich die Autorin auch mit ihren jüdischen Wurzeln auseinander. Rosenwassers Texte entspringen keinem Lehrbuch, sondern einem Alltag unter Menschen, die Tabus mit Lust auflösen und ihre eigene Vielfalt feiern. Dahinter stecken politischer Widerstand gegen herrschende Normen und die Liebe, dazuzulernen, ohne Angst zu haben vor Fehlern. Mit viel positiver Energie, Humor und Nahbarkeit hat Anna Rosenwasser in den zwei Lesungen an unserer Schule das Publikum gewinnen können. Sämtliche Fragen hat sie gerne beantwortet und auch nach den Lesungen hat sie sich viel Zeit für die Lernenden genommen und Bücher mit persönlicher Widmung signiert.

Ihren zweiteiligen Workshop startete Arzije Asani mit einer Episode der dreiteiligen Webserie «ÇOHU», in der die Protagonisten Adelina (22, Feministin im Kosovo) und Lendi (1. Transgeoutete Person im Kosovo) über ihre Lebenswelt im Kosovo berichten. Was bedeutet Identität, was bedeutet Geschlecht und wie haben Familie, Freunde und das Umfeld auf sie reagiert? Die Webserie hatte zum Ziel, dass die Lernenden sich selbst mit dem Begriff «Identität» auseinandersetzen. In den nächsten 40 Minuten sollten die Lernenden in Kleingruppen Videos, Präsentationen oder Ähnliches zu einer selbst gewählten Person und Identität erstellen. Wen portraitiere ich und warum? Warum lohnt es sich, die gewählte Geschichte zu erzählen? Warum ist die Geschichte wichtig? In einem bewegenden Abschluss präsentierten drei Gruppen ihre Ergebnisse, ganz unterschiedlich, kreativ, sehr nahbar, persönlich und wichtig.

Die Schweizer Autorin Zora del Buono besuchte am Tag nach ihrem Sieg beim Schweizer Literaturpreis die BMZ und hinterliess bei Lernenden und Lehrpersonen einen bleibenden Eindruck. Trotz des grossen Erfolgs wirkte sie nahbar und authentisch, was die Schülerinnen und Schüler sofort in ihren Bann zog.
Mit grosser Offenheit sprach sie über den Literaturbetrieb an und für sich und das autofiktionale Erzählen, das auch ihr neues Werk «Seinetwegen» prägt. Die Lernenden folgten gebannt jedem Wort und konnten einen lebendigen Einblick in das Schreiben und die Welt der Literatur gewinnen. Es war spürbar, dass Zora del Buono nicht nur eine hervorragende Sprachkünstlerin, sondern auch eine beeindruckende Persönlichkeit ist, die mit ihrer Leidenschaft und ihrem Wissen zu inspirieren weiss.